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Herr Mut versteht die Welt (nicht) – Teil 6

Unglücklicherweise trafen wir Malu Heising, so nannte sich Pruna nämlich, nicht zu Hause an. Eine nette Nachbarin erzählte uns aber, sie wäre mit ihrem Hund unterwegs und wollte zu Fuß hoch zum Drachenfelsen. Wir nutzten die Gelegenheit, mit der Drachenfelsbahn zu fahren, auch wenn dort Maskenpflicht herrschte. Da wir schon in dem Zug die ganze Zeit die Maske aufhatten, war das jetzt auch nicht so schlimm. Dafür erlebte jetzt Kongar mal die Drachenfelsbahn. Außerdem trafen wir auf Malu Heising. Wir trafen sie natürlich nicht, aber wir sahen sie. Ganz genau sahen wir eine Frau, die wahrscheinlich Malu Heising war, eine junge Frau mit einem Deutschen Schäferhund, bereits auf dem Weg nach unten. Lola schaute schnell auf ihrem Handy nach und bestätigte, dass es sich um Malu Heising handelte, denn auf ihrer Homepage gab es ein Bild von ihr. Eine durchaus attraktive Frau von Mitte 20, zumindest dem Anschein, denn tatsächlich war sie ja sehr, sehr viel älter.
Nach dem Verlassen der Drachenfelsbahn begaben wir uns eiligst zu Fuß talwärts. Da sie es nicht eilig zu haben schien und immer wieder stehen blieb, wenn der Hund etwas Interessantes entdeckte, und Hunde entdecken sehr häufig etwas Interessantes auf so einem Waldweg, holten wir sie auf halber Strecke ein. Also kurz vor der Mittelstation.
Der Hund bemerkte uns zuerst und starrte uns an. Dadurch wurde auch Malu Heising alias Pruna aufmerksam und beobachtete uns erst neugierig, dann düster. Letzteres lag vermutlich daran, dass sie als Dämon natürlich sofort erkannte, dass wir keine Normalsterblichen waren.
Dass sie nicht bereit war, sich mit uns zu unterhalten, demonstrierte sie deutlich, indem sie sich umdrehte und einfach weiterging. Allerdings war der Hund nicht gewillt, die Nachrichten seiner Artgenossen und viele andere Düfte zu ignorieren, sodass wir sie ohne Mühe einholen konnten.
„Frau Heising, wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten“, begann ich das Gespräch.
„Ich mich mit Ihnen aber nicht“, erwiderte sie. „Ich rufe die Polizei, wenn Sie mich nicht in Ruhe lassen.“
„Ernsthaft?“, fragte Lola. „Ausgerechnet Sie?“
Malu schwieg und beschleunigte ihre Schritte, stieß damit allerdings auf keine Gegenliebe bei ihrem Hund.
„Wir müssen wirklich miteinander reden“, versuchte ich es erneut. „Das hat keinen Sinn, vor uns davonzulaufen.“
„Hören Sie, ich habe keine Ahnung, wer Sie sind und was Sie von mir wollen …“
„Es geht um Lisa, die Ur-Ur-Urenkelin von Imni“, sagte Lola.
„Aha.“ Malu betrachtete sie. „Wer sind Sie und was geht Sie das an?“
„Ich bin Lola, eine Verführungshexe. Wir würden gerne herausfinden, was passiert ist, bevor die Situation eskaliert.“
„Nichts ist passiert.“ Malu ging weiter, in einem an die Wünsche des Hundes angepassten Tempo.
„Wenn das so ist, sollte es ja kein Problem sein, uns bei der Aufklärung der Angelegenheit zu helfen“, bemerkte ich. „Das ist ja auch in Ihrem Interesse.“
„In meinem Interesse? Was wollen Sie damit andeuten?“
„Ich denke, das wissen Sie genau.“ Lola wieder. „Sie haben ein Motiv.“
„Weißt du was? Von einer Verführungshexe, die absolut keine Ahnung vom Leben der Dämonen hat, wahrscheinlich noch nicht einmal die Einweihung geschafft hat, lasse ich mir ganz sicher nichts sagen!“
Ich legte eine Hand auf Lolas Arm. „Warum bist du so aggressiv, Pruna? Ich bin ein Ideengeist, sehr viel älter als du und ich weiß sehr wohl, wie Dämonen leben. Ich kannte schon deine Vorfahren und deren Vorfahren. Es sollte eigentlich auch in deinem Interesse liegen herauszufinden, was passiert ist.“
„Es ist mir aber scheißegal, wer und wie diese Halbelfe umgebracht hat, okay? Und jetzt verpisst euch, sonst hetze ich den Hund auf euch!“
„Das wäre keine besonders gute Idee, und das weißt du auch“, erwiderte ich, inzwischen auch nur noch äußerlich ruhig. Zumal Pruna gerade verraten hatte, dass sie wahrscheinlich die Mörderin von Lisa war. Der Hund war für uns keine Bedrohung, vermutlich würde er uns nicht einmal angreifen, doch ein Kampf zwischen übernatürlichen Wesen hier, wo uns Normalsterbliche beobachten konnten, würde unnötiges Aufsehen erregen, was mit Sicherheit auch Pruna nicht wollte.
Dass ich damit richtig lag, zeigte sich auch daran, dass sie den Hund anleinte und davonrannte. Der Hund hielt das für ein Spiel und schnappte immer wieder nach der Leine, bis Pruna so schnell wurde, dass er kaum noch mitkam.
Ich seufzte.
„Deeskalation ist nicht immer die beste Wahl“, stellte Lola fest.
„Hättest du einen Kampf hier in der Öffentlichkeit besser gefunden?“, erkundigte ich mich.
„Nein, natürlich nicht. Ach, ich weiß auch nicht. Was machen wir denn jetzt? Dir ist doch bestimmt aufgefallen, dass sie es getan hat?“
„Zumindest weiß sie, was passiert ist“, nickte ich. „Ruf doch bitte Kassandra an, vielleicht hat sie Neuigkeiten für uns.“
Das hatte sie in der Tat, wie Lolas Gesichtsausdruck während des Telefonats verriet. Nachdem sie aufgelegt hatte, starrte sie uns entgeistert an.
„Meine Liebe, erzähl uns, was du gehört hast, bevor du platzt“, sagte ich freundlich.
„Laxnia ist bei Kassandra“, sagte sie. „Laxnia ist die Mutter von Pruna. Und auch von Kuna, aber die lebt ja nicht mehr.“
„Aha“, erwiderte ich. Das war in der Tat etwas erstaunlich. Wieso war die Mutter von Laxnia in Linz? Lebte sie etwa auch dort? Ich konnte es mir irgendwie nicht vorstellen, doch der einzige Weg, herauszufinden, was sie wollte, lag darin, wieder nach Linz zu fahren.
Das taten wir dann auch, allerdings nicht mit dem Zug. Genau genommen fuhren wir auch nicht, sondern nutzten unsere besonderen Möglichkeiten. Vorher vergewisserten wir uns natürlich, dass niemand uns beobachtete.
Auf diese Weise klopften wir bereits eine Minute nach dem Anruf an die Tür. Genau genommen klopfte Lola, anstatt die Klingel zu nutzen. Ich konnte nur raten, wieso, aber eine Idee hatte ich durchaus.
Laxnia war eine kleine, zierliche Frau mit langen, schwarzen Haaren. Sie saß in einem Sessel und wirkte durcheinander.
„Es ist alles meine Schuld“, sagte sie, als ich sie begrüßen wollte.
„Sie haben Lisa getötet?“, fragte ich überrascht.
„Nein, das war Pruna. Aber es ist alles meine Schuld!“
Ich setzte mich erst einmal auf die Couch und beobachtete die arme Frau. Vielleicht war mein Mitleid nicht wirklich angebracht. Es musste ja einen Grund geben, warum sie davon ausging, dass alles ihre Schuld war. Jedenfalls hatte sie vor Jahrhunderten eine Tochter verloren und die andere betätigte sich anscheinend seitdem als Racheengel. Besser gesagt, als Rachedämon. Fühlte sie sich deswegen schuldig?
„Darf ich fragen, weshalb Sie die Schuld auf sich nehmen wollen?“
Die anderen, auch Kassandra, saßen im Wohnzimmer verteilt. Alle Augen waren auf Laxnia gerichtet. Ihre sahen gerötet aus, und als sie mich nun ansah, konnte ich darin Verzweiflung und Scham erblicken.
Sehr eigenartig, befand ich für mich.
„Kuna ist meinetwegen getötet worden“, sagte sie leise. „Ich habe Sumna erzählt, dass Kuna nicht schwimmen kann und sterblich ist.“
Ich blickte zu Kassandra, dann zu Lola. Beide wirkten ziemlich erstaunt. Ich war ja auch erstaunt, mehr als erstaunt. Wenn das stimmte, hatte Laxnia indirekt dafür gesorgt, dass ihre eigene Tochter getötet wurde.
Aber wieso denn, um Himmels willen?
„Warum haben Sie das getan, Laxnia?“, fragte ich, so ruhig, wie es mir möglich war.
Laxnia starrte ihre Hände an, die miteinander rangen. Das ließ erkennen, wie aufgebracht und nervös sie tatsächlich war.
„Ich war dumm. So dumm. Und ich habe mich geschämt.“
„Wofür haben Sie sich geschämt?“, erkundigte sich Lola erstaunt. „ Doch wohl kaum dafür, dass Ihre Tochter mit einem Elf befreundet war.“
„Nein, dafür nicht.“ Laxnia schüttelte den Kopf. „Aber Imni war ihr Halbbruder.“
Ups. Als wäre eine Bombe explodiert.
„Moment mal …“, sagte Kassandra. „Soll das heißen, mein Großvater war Kunas Vater?“
Laxnia nickte langsam und die Tränen tropften mittlerweile von ihrem Kinn. Lola erhob sich und brachte ihr Papiertaschentücher. Laxnia wischte umständlich die Tränen ab und schnäuzte sich dann.
„Das ist … das ist …“ Kassandra hatte offensichtlich Schwierigkeiten, den Satz zu vollenden.
„Wusste irgendjemand davon?“, fragte ich leise. „Imni und Kuna vermutlich nicht.“
„Nein, sie wussten es nicht. Nur Imnis Vater wusste es noch. „Ich … ich hatte solche Angst, dass es irgendjemand herausfindet. Es war so dumm von mir! Verstehen Sie, ich wollte doch nicht, dass Kuna stirbt! Niemals war das meine Absicht!“
„Aber dennoch haben Sie es Sumna erzählt, die dieses Wissen ausgenutzt hat“, bemerkte ich.
Sie nickte erneut. „Als ich dann hörte, was geschehen war, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Kunas Vater starb wenig später, ich glaube, er konnte es nicht ertragen. Seine Tochter war getötet worden, doch niemand durfte erfahren, dass Kuna seine Tochter war.“
Sie begann nun hemmungslos zu schluchzen. Lola setzte sich nach einem Blick auf mich auf die Sessellehne und legte die Arme um sie. Ich beobachtete Kassandra, die verständlicherweise entsetzt war. Und wohl auch sehr wütend. Beides konnte ich wirklich gut nachvollziehen.
Das war eine Wendung, wie sie auch in einer griechischen Tragödie vorkommen könnte. Niemals kann man das Schicksal, in der griechischen Tragödie die Götter, austricksen. Egal, was ein Mensch tut, selbst wenn er eigentlich ein Dämon ist, die Götter erwischen ihn doch. Ödipus tötete seinen Vater doch, oder gerade, weil seine Eltern Vorkehrungen getroffen hatten, damit dies nicht geschehen konnte. Am Ende nahm er sich selbst das Augenlicht, weil er es nicht ertrug, was er getan hatte.
„Ich muss gestehen, ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll“, bemerkte Kassandra. „Es ist schon so lange her, und ich glaube, Laxnia ist bestraft genug.“
„Das denke ich allerdings auch“, erwiderte ich. „Doch wir müssen uns um Pruna kümmern.“
„Ich werde ihr alles erzählen“, schluchzte Laxnia.
Ich überlegte, ob das wirklich eine gute Idee war. Doch letztlich war es wahrscheinlich sogar die einzige Möglichkeit, Pruna zu stoppen. Ich war mir nur nicht sicher, wie sie reagieren würde. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, dass sie ihre eigene Mutter töten würde.
Schließlich nickte ich. „Können Sie sie anrufen und bitten, herzukommen?“
Laxnia nickte und holte ihr Handy hervor. Ihre Hände zitterten.